Aktivitäten der DRG

 

Symposium der Deutschen Rossini Gesellschaft
in Bad Wildbad, 24./25. Juli 1999

Aus Anlaß ihres zehnjährigen Bestehens veranstaltet die DRG im Rahmen des Festivals ROSSINI in Wildbad ein Symposium; drei Wissenschaftler und ein Opernregisseur werden in Vorträgen unterschiedliche Aspekte des Themas "Rossini und Deutschland" beleuchten.

Der italienische Musikwissenschaftler PAOLO FABBRI (Universität Ferrara, langjähriger Vizedirektor der Fondazione Rossini in Pesaro, Direktor der Fondazione Donizetti in Bergamo) stellt Überlegungen zur gegenseitigen Wechselbeziehung zwischen Deutschland und Rossinis Musik an:
Rossini und „Il mondo tedesco": Die italienischen Provinzen Österreichs"
.


Zusammenfassung: Einige Begebenheiten im Leben und Werk Rossinis können besser interpretiert werden, wenn man sich die politische Geographie Italiens in seiner Zeit vor Augen hält. Dies trifft auf seine Beziehungen zu einigen Städten des Lombardo-Veneto zu, und natürlich auf Wien. 1822 ist das Jahr, in dem Rossini sozusagen als k.k. Hofkapellmeister betrachtet werden kann. Aber schon vorher darf die politisch-kulturelle Situation nicht außer Betracht gelassen werden, wenn es um seine Beziehungen zu Mailand geht, dem Vorposten der deutschen Kultur in Italien, mit der Diskussion um die Romantik und Bestrebungen um die einheimische Oper. Und schließlich hat Rossini bei seinem ersten Erscheinen auf dem internationalen und europäischen Parkett, im Kontakt mit der wirtschaftlichen und verfassungs-mäßigen Wirklichkeit des österreichischen Kaiserreiches, Gelegenheit, das Bewußtsein um seine eigenen Autorenrechte umzusetzen.

 

Die Musikwissenschaftlerin JULIA LIEBSCHER (Universität Bochum) analysiert auf der Grundlage zeitgenössischer Quellen zwei Fallbeispiele der frühen Rossini-Rezeption:
Im Taumel des Rossinismus". L’italiana in Algeri und Tancredi erobern das deutsche Opernpublikum.

Zusammenfassung: Die deutsche Rossini-Rezeption des 19. Jahrhunderts befand sich in einem polarisierenden Spannungsfeld zwischen kritischen musiktheoretischen Urteilen und einer enthusiastischen Aufnahme seitens des Publikums. Zu den meistgespielten Werken im deutschsprachigen Raum gehörte Il turco in Italia.
Die erste Aufführung einer Rossini-Oper in Deutschland und jenseits der Alpen überhaupt fand am 18. Juni 1816 im Cuvilliés-Theater in München statt: L’italiana in Algeri. Bereits einen Monat später, am 4. Juli 1816, folgte, ebenfalls als deutsche Erstaufführung, Tancredi. Die mit diesen Aufführungen einsetzende Rossini-Euphorie wird exemplarisch - auch durch die Auswertung zeitgenössischer Quellen sowie durch die Einbeziehung von Video- und CD- Beispielen - beleuchtet. Ferner sollen die mit der deutschen Rossini-Rezeption zusammenhängenden zentralen Probleme, wie zum Beispiel die Frage der Übersetzung, des Gesangsstils, der Regie / Inszenierung sowie der im 19. Jahrhundert bedeutenden nationalen Diskussion erläutert werden.

 

Der den Mitgliedern der DRG bestens bekannte Philosoph CLAUS-ARTUR SCHEIER (Universität Braunschweig) behandelt auch mit Bezug auf die gesellschaftlich-historischen Rahmenbedingungen eine Kategorie, die in der
ernsten Oper der Rossini-Zeit Anlaß zu Kontroversen gibt::
Rossini - ein verhinderter Tragiker?.

Zusammenfassung: Daß Rossinis Publikum auch für die Opera seria an einem lieto fine gelegen war, das das genaue ästhetische Pendant zur Restauration, dieser ersten Phase kollektiver Verdrängung in der europäischen Geschichte, zu sein hatte, ist ebenso bekannt wie Rossinis tapfere Versuche, solchen Zeitgeist bei Gelegenheit zu unterlaufen. Ob er
darum aber als verhinderter Tragiker und Opfer eines verkommenen Publikumsgeschmacks zu gelten hat und ob das lieto fine, wie es ihm seine Librettisten zur Verfügung stellten oder wie wenigstens er selbst es musikalisch auffaßte, überhaupt den Charakter von gesellschaftlichem Kompromiß und Simulation hat, ist eine Frage, die vermutlich weniger historisch-
biographisch als aus der immanenten Ästhetik des Rossinischen Kunstwerks zu beantworten wäre.

 

Der Opernregisseur DOMINIK NEUNER (Wiesbaden) erörtert aufgrund eigener Inszenierungserfahrungen Probleme der musikalischen Dramaturgie bei Rossini und ihre szenische Umsetzung:
Rossinis Opern auf dem Theater - heute
.

Zusammenfassung: Von den einen als Reaktionär verschrien und von den anderen als Neuerer und Vollender der italienischen Oper verehrt, wird Rossini bis heute auf den deutschen Bühnen hier als Operettenersatz, dort als enfant terrible gehandelt. Welchen Stellenwert hat der zu seiner Zeit berühmteste Italiener zwischen Mozart und
Wagner heute in der Diskussion um die gesellschaftliche Relevanz der Oper überhaupt? Dieser Frage geht der Operndirektor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden als Regisseur, Dramaturg, Bühnenbildner und Übersetzer nach.
In der Kluft zwischen Wirklichkeit und Wahrheit der Oper legt Neuner die Spuren des Absurden in Rossinis Musik- und Textstrukturen frei und erörtert als Theaterpraktiker die Probleme und Chancen einer aktuellen Umsetzung von Rossinis Musik-Theater auf den deutschen Opernbühnen.

 

Der Literaturwissenschaftler ALBERT GIER (Universität Bamberg) zeigt an Beispielen von Hegel bis Richard Wagner, wie deutsche Autoren (im Vergleich zu ihren französischen Kollegen) auf das Phänomen Rossini reagieren:
Glanz und Elend der absoluten Melodie. Gioachino Rossini im Urteil des (vornehmlich deutschen) zeitgenössischen Literatur
.

Zusammenfassung: Nicht nur in Italien wird Rossini rasch zu einer Figur von öffentlichem Interesse. Die Großen seiner Zeit, von Metternich zu Hegel, von Goethe zu Schopenhauer, haben seine Opern auf der Bühne gesehen oder zumindest die Musik gehört und sich dazu geäußert; Heinrich Heine hat sich Gedanken über Rossinis Erfolg in Paris gemacht, seit Stendhal sind Hunderte von Anekdoten über den phlegmatischen Komponisten, der sich mehr fürs Essen als für die Oper interessiert, erfunden und in ganz Europa kolportiert worden. Der Vortrag zeigt an ausgewählten Beispielen, wie sich die Kritik des 19. Jahrhunderts, besonders in Deutschland, mit Person und Werk Rossinis auseinandersetzte; besondere Beachtung soll dabei den konträren Urteilen Schopenhauers und des Schopenhauer-Jüngers Richard Wagner über
Rossinis Melodie gelten.

Das Symposium findet am Samstag 24. Juli 1999 von 14 bis 17.30 Uhr und am Sonntag, 25. Juli 1999 von 11 bis 13 Uhr unter der Leitung von Prof. Gier im König-Karls-Bad (Vortragsraum im 1. Stock) in Bad Wildbad statt. Freier Eintritt.

Albert Gier


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© DRG, 28. Juni 1999