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Grußwort des Oberbürgermeisters
zur
Begrüßung der Deutschen Rossini Gesellschaft e.V.
am 10. März 2001 in Görlitz
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- Meine sehr verehrten Damen
und Herren,
- Ich freue mich sehr, dass Sie
uns und unserer Stadt die Ehre geben.
- Sie sind aus ganz Deutschland,
sogar aus der Schweiz, angereist, um hier, in der östlichsten Stadt
Deutschlands, ihre Jahreshauptversammlung durchzuführen.
- Wie ich sehe, hat die Einladung
der Rossini Gesellschaft nach Görlitz ein großes Echo gefunden,
und die Mitglieder haben selbst den weitesten Weg nicht gescheut.
- Ich hoffe nein, ich bin
überzeugt dass Sie nach diesem Wochenende sagen: Der Weg hat
sich gelohnt, und ich werde wiederkommen und meine Familie oder meine
Freunde mitbringen.
- Über mangelndes Interesse
an unserer Stadt können wir nicht klagen, aber wir brauchen natürlich
noch mehr Aufmerksamkeit in ganz Deutschland. Es hat sich noch nicht überall
herumgesprochen, dass unsere Stadt viele Superlative hat.
- Von Görlitz als der östlichsten
Stadt Deutschlands sprach ich schon. Sie finden hier eine Stadt, die vor
930 Jahren am Schnittpunkt zweier bedeutender europäischer Handelsstraßen
entstand, eine Lage, die über Jahrhunderte Quelle des Wachstums und
Wohlstandes dieser Stadt war.
- Lassen Sie mich noch auf weitere
Besonderheiten zu sprechen kommen:
- Durch unsere Stadt führt
der 15. Meridian, der für die Mitteleuropäische Zeit bestimmend
ist. Damit liefern wir gemeinsam mit unserer Partnerstadt Zgorzelec nicht
nur für Oslo, Stockholm, Paris, Madrid und Rom die richtige Zeit,
sondern auch für unsere weiteren vier Partnerstädte Amiens,
Molfetta, Novy Jicin und Wiesbaden.
- Görlitz bildet gemeinsam
mit unserer polnischen Nachbarstadt Zgorzelec die Europastadt Görlitz/Zgorzelec.
Diesen Namen haben wir uns auf einer gemeinsamen Stadtratssitzung im Mai
1998 gegeben, und dieser Name ist Programm: Wir sind der Überzeugung,
dass diese Doppelstadt in der Mitte Europas eine besondere Rolle im europäischen
Einigungsprozess einnehmen wird.
- Dieser Verantwortung wollen wir
uns über Ländergrenzen hinweg stellen. Gemeinsam mit meinem
Zgorzelecer Amtskollegen Miroslaw Fiedorowicz nutze ich jede Gelegenheit,
unsere Europastadt vorzustellen. Jüngst haben wir das in einer Podiumsdiskussion
in der polnischen Botschaft in Brüssel getan, und von dort sind wir
mit einer Einladung zum Ausschuss der Regionen zurückgekommen, der
im September in Maastricht tagt.
- Wir treffen uns aber nicht nur
auf Reisen, sondern bei vielen Anlässen in unseren Städten.
Eine Koordinierungskommission beider Städte kommt monatlich zusammen,
um Fragen abzustimmen, die sich im täglichen Miteinander der Menschen
diesseits und jenseits der Neiße ergeben.
- Kontakte gibt es in allen Bereichen
des städtischen Lebens, sogar schon bei unseren Kleinsten: Sie werden
in unserem deutsch-polnischen Kindergarten betreut und erlernen auf diese
Weise auch spielerisch die jeweils andere Sprache.
- Nun zum nächsten Superlativ:
Görlitz wird von Kennern als die schönste Stadt Deutschlands
bezeichnet. Hiermit zitiere ich besonders gern den Vorsitzenden der Deutschen
Stiftung Denkmalschutz, Prof. Gottfried Kiesow. Aus unserer Partnerstadt
Wiesbaden stammend, hat er nach der Wende sehr schnell erkannt, welches
Kleinod sich hinter bröckelnden Fassaden verbirgt: Eine Stadt, wie
sie in dieser Unversehrtheit mit über 3600 Einzeldenkmalen aller
Stilepochen seit der Gotik einmalig ist.
- Görlitz die Stadt
der Türme, Heimatstadt des großen deutschen Philosophen Jakob
Böhme, Stadt bedeutender Baudenkmale, Stadt der weltweit am besten
erhaltenen und originaltreusten Kopie des Heiligen Grabes in Jerusalem,
zweifacher Bischofssitz, die Stadt der weltbekannten Liebesperlen und
des Landskronbieres, mit dem schönsten Kaufhaus Deutschlands, mit
Hotels und Geschäften jeder Größe, gemütlichen Gaststätten,
einer in ihrer Architektur hervorstechenden Stadthalle, einer jungen,
international tätigen Hochschule Zittau/Görlitz, einer renommierten
Hochschule für Kirchenmusik, Stadt des Schienenfahrzeugbaus, und
eine Stadt der Kultur mit einem hervorragenden Theater, das in diesem
Jahr 150 Jahre alt wird.
- Görlitz aber auch
eine Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit, die derzeit bei über 22 Prozent
liegt, mit vielen Problemen des Strukturwandels und der Randlage kämpfend.
Eine Stadt, die in einer Region mit besonderem Entwicklungsbedarf
liegt, wie die Strukturschwäche freundlich umschrieben wird.
- Nicht zuletzt ist Görlitz
eine Stadt mit bodenständigen Menschen, die ihre Stadt lieben und
zunehmend stolz auf sie sind.
- Damit habe ich Ihnen einiges über
Görlitz gesagt, und ich hoffe, Sie damit neugierig gemacht zu haben.
- Lassen Sie mich jetzt noch etwas
mehr auf den Anlaß Ihres Besuches eingehen:
- Ich freue mich sehr, meine Damen
und Herren, dass Sie in so großer Zahl nach Görlitz gekommen
sind. Sie werden eine Rossini-Aufführung in unserem Theater besuchen,
das im Moment eine große Baustelle ist und trotzdem weiter bespielt
wird ein Ausdruck der hier noch herrschenden Aufbruchstimmung,
die keine Pause zulässt.
- Dabei werden Sie feststellen können,
dass uns unser Theater lieb und teuer ist:
- 16,8 Millionen Mark sind bisher
in die Sanierung des Hauses geflossen, größtenteils aus Fördermitteln,
nämlich 9,6 Mio Mark, aber auch aus städtischen Eigenmitteln
in Höhe von 7,2 Mio Mark.
- Derzeit werden der Zuschauerraum
und die Nordfassade saniert. 7,6 Mio Mark stehen dafür zur Verfügung.
- Insgesamt sind für die vollständige
Sanierung des Hauses inklusive Bühnentechnik 40 Mio Mark veranschlagt.
- Dieses Haus, das in diesem Herbst
seinen 150. Geburtstag feiert, ist tief in den Herzen der Görlitzer
verankert, und der Stadtrat bekennt sich trotz immer knapper werdenden
Haushaltsmitteln immer wieder in großer Einmütigkeit für
den Erhalt.
- La Cenerentola hat die
allerbesten Kritiken bekommen, und ich hoffe, dass auch Sie Gefallen daran
finden.
- Für mich ist Rossinis Musik
ein Ausdruck italienischer Lebensart. Als Mitglieder der Deutschen Rossini
Gesellschaft kennen Sie sein Werk und auch seine Lebensumstände besser
als ich. Sie wissen damit auch, dass Rossini niemals in Görlitz war.
- Dennoch sehe ich eine Brücke
zwischen dem Musiker und unserer Stadt, nämlich die italienische
Lebensart, die er mit seiner Musik verkörpert, zu dem italienischen
Flair in den Gassen und Höfen unserer Altstadt.
- Bei einem Stadtrundgang werden
Sie sicher zum Scultetushaus in der Peterstraße kommen, auf die
Neißstrasse, zur Vierradmühle und zu den Höfen zwischen
dem Cafe Ratsapotheke und dem Flüsterbogen.
- Diese Stimmung gibt Ihnen sicher
einen kleinen Vorgeschmack auf die sommerliche Atmosphäre in unserer
Altstadt. Dann treffen sich hier auf den Straßen und in den Innenhöfen,
rund um den Untermarkt und bis zur Neiße hin Gäste aus nah
und fern. Sie alle fühlen sich angezogen von den Jazztagen, dem Internationalen
Straßentheater, dem Schlesischen Tippelmarkt, dem Altstadtfest,
dem Schlesischen Musikfest, sommerlichem Theaterspiel und vielen anderen
Höhepunkten.
- In einer der Biografien über
Rossini habe ich gelesen, dass ein Merkmal seiner Musik das sich
ständig steigernde Orchestercrescendo sei. Beim Gang durch unsere
Stadt können Sie im Sinne dieser Aussage steingewordene Rossini-Musik
erleben, denn Sie werden sich ständig steigernde Eindrücke erfahren.
- Und Rossini ist auch Vorbild für
uns, weil er eine fleißiger Mensch war: 39 Opern und Bearbeitungen
eigener Werke der Gattungen opera buffa, opera seria und opera semi-seria
in 21 Jahren, in der Schaffensperiode von 1808 bis 1829, die ihren Abschluß
mit der Oper Wilhelm Tell fand. Danach kam es insbesondere
durch äußere Umstände bedingt zu einem Bruch in
seiner Biographie; wir würden heute sagen: Rossini ist ein
Aussteiger. Aber er hat, wie wir alle wissen, auch in dieser Zeit
bis zu seinem Tode Spuren hinterlassen, an die Sie sich erinnern werden,
wenn Sie heute in einer unserer zahlreichen und gemütlichen Kneipen
ein vorzügliches Mittagessen einnehmen werden.
- Nochmals bedanke ich mich für
Ihr Kommen; bitte tragen Sie das, was Sie hier sehen und erleben weiter
und werben Sie so für unsere Stadt. Das wäre das schönste
Geschenk für uns.
- Ich wünsche Ihnen einen schönen
Aufenthalt in unserer Stadt, einen erfolgreichen Verlauf Ihrer Tagung
und so viele gute Eindrücke, dass Sie sagen: ich komme bald wieder.
Prof. Dr. Rolf Karbaum
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© DRG, 30. März 2001