Rossini und die Landwirtschaft

Vortrag von Reto Müller
anlässlich der DRG-Jahresmitgliederversammlung in Hamburg, 2. März 2002

Meine Damen und Herren

Vielleicht haben Sie sich bei der Anmeldung gefragt, und jetzt erst recht hier draussen, angesichts dieser eigenartigen Tiere, was ein Rossini-Freund zur Galloway-Zucht treibt und was Rossini selbst denn mit der Landwirtschaft am Hut hat. Eines unserer Mitglieder, das nicht mit uns nach Hamburg kam, liess verlauten, dass ihn mehr das veredelte Resultat auf dem Teller als der Ursprung davon interessiert. Die Vermutung liegt nahe, dass dies auch Rossinis Einstellung war, der – wie wir wissen – guten, lebergetrüffelten Tournedos keineswegs abhold war.

Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu diesem Themenkomplex machen. Rossini wird am Schluss zwar nicht als komponierender Bauer dastehen, aber Bezüge zur Landwirtschaft im engeren und weiteren Sinn gibt es durchaus, sowohl biographisch wie auch in seinen Werken. Dabei müssen wir uns vielleicht noch vor Augen halten, dass zu Rossinis Zeiten ein erdrückender Teil der Bevölkerung seinen Erwerb im primären Sektor hatte, d.h. Existenz und Gesellschaft waren unzertrennbar damit verbunden. Auch im urbanen Leben der gehobenen Gesellschaft, für die Rossini in erster Linie komponierte, gehörte dies zum realen Umfeld.

Schon in einer der allerersten Opern Rossinis, nämlich in der morgen zu hörenden Equivoco stravagante, treffen wir auf nichts weniger als einen Bauern: einen neureichen zwar, der sich jetzt gerne dem „philosophischen Geschwätz“ hingibt, aber seine Vergangenheit keineswegs verleugnet: Gamberotto erinnert sich gut an die Zeiten, als ihm das Hantieren mit dem Spaten Schweiss und Schwielen verursachte. Wenn er versucht, seinem tölpelhaften Schwiegersohn in spe ein paar schmeichelnde Worte für Ernestina einzuflüstern, kommen ihm nur Rüben, Kappes, Kürbisse und Bohnen in den Sinn. Und die Bauern, die den Schlossherrn Gamberotto umgeben, proklamieren in der zündenden Stretta der Introduktion mit Bauernschläue die Gleichheit von ruralem und urbanem Leben: „So wie die Bauern Kohl ansetzen | so wird in der Stadt das Wissen angepflanzt“.

In der ernsten Oper Aureliano in Palmira begegnet der verzweifelte Krieger Arsace einer Gruppe von Schäfern und Schäferinnen, die sich ihrer bukolischen Idylle bewusst sind: Während die Mächtigen sich bekämpfen, vermag kein Zwist die Hirten und Herden zu entzweien, und die geliebten Wälder werden als Orte der Freiheit gerühmt.

In der semiseria-Oper Torvaldo e Dorliska macht sich der Adelige Torvaldo auf die Suche nach seiner entführten Dorliska, indem er sich mit den von einem Bauern erhaltenen Kleidern als Holzfäller tarnt. Die Rettung in extremis erfolgt durch eine Horde bewaffneter Bauern, die dem tyrannischen Grafen auf den Pelz rücken.

Überhaupt sind die halbernsten Opern ein bevorzugtes Tummelfeld von bäurischen Szenen, wie La gazza ladra und Matilde di Shraban deutlich machen.

In der für Paris komponierten Pastiche-Oper Ivanhoé sind die beiden in den Roman von Walter Scott einführenden Schweinehirten Gurth und Wamba zwar eliminiert. Dafür hat in der anderen Scott-Oper, La donna del lago, die Jagd – eine Art extensive Landwirtschaft – einen prominenten Platz, und obwohl wir uns im schottischen Hochland befinden, fühlen wir, dass die tiefer gelegenen Weidegründe der Galloways nicht weit weg sind.

In Guillaume Tell schliesslich werden wir schon zu Beginn mit grossen, affreskohaften Chören konfrontiert, die das ländliche Leben in den Schweizer Bergen und am Gestade des Vierwaldstättersees zelebrieren. Doch Tell sieht die Freiheit durch den tyrannischen Statthalter Gesler bedroht, und erst wenn zum Schluss der Oper der Unterdrücker sein Grab im See gefunden hat, steigt die Freiheit in einem grossartigen Naturgemälde wieder vom Himmel. Musikalisch dient als Leitmotiv in dieser Oper zudem nichts weniger als ein traditioneller Kuhreigen, den die Bauern beim Eintreiben ihrer Kühe anstimmten, und den Rossini leitmotivisch durch die ganze Oper hindurch verwendet.

Auch ausserhalb der Oper begegnen wir landwirtschaftlichen Motiven, etwa in der allegorischen Kantate Le nozze di Teti e Peleo, wo die Gottheiten der Fruchtbarkeit in farbenprächtigen Szenen präsent sind, oder in Liedern wie La pastorella delle Alpi. Und auch instrumentale und chorische Stücke wie das Rendez-vous de chasse, der Chœur des chasseurs démocrats und selbst die soeben gehörten Hornduette haben ländliches bzw. Jagd-Treiben im Visier.


Soweit die landwirtschaftlichen Aspekte in Rossinis Schaffen, welche bei einem Künstler, der sich in alle Lebenslagen einzufühlen weiss, weiter nicht zu verwundern brauchen. Wie hielt er es aber persönlich damit? Wenn wir der deutschen Rossini-Biographie von Kurt Pfister von 1948 glauben, so hätte ihn nach der Aufgabe seiner Theaterkarriere nichts anderes mehr interessiert: „Er schien nur noch Sinn für landwirtschaftliche Fragen zu haben und trieb eine ausgedehnte Fisch- und Schweinezucht“1. Fétis hingegen stellte entsprechende Gerüchte bereits 1841 kategorisch in Abrede, nachdem er den Komponisten in Bologna besucht hatte2. Wir werden darauf zurückkommen.

Wie wir wissen, ist Rossini in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater, der Hornspieler Giuseppe, besass zwar ein kleines Häuschen in Lugo, aber mehr nicht. In Pesaro, wo Gioachino die ersten Kindesjahre verbrachte, waren die Rossinis in einem Haus an der Via del duomo (der heutigen Via Rossini) eingemietet. Wenn man sich vor die Stadtbegrenzung begab und ca. fünf Minuten Richtung Strand spazierte, traf man auf eine kleine Hütte. Sie existiert heute noch, wohlbehütet und versteckt hinter dem Hotel Des Bains, und dient als Sommerhaus einer österreichischen Familie, bei der ich selber schon während vieler Festivalsommer wohnen durfte. Die Anekdote besagt, dass dort der kleine Gioachino mit seiner Mutter Anna die Milch holte.

Später, schon zum reichen Grundbesitzer mit seinen Freuden und Leiden geworden, erinnerte Rossini seinen Papa mit folgenden Worten an die früheren Jahre, als sie als herumziehende Musiker auch südlich von Pesaro Station machten: „Als wir in Sinigallia noch zum Aalfischen gingen, waren wir noch ärmer, und wir hatten weniger Sorgen und mehr Spass, aber gebt zu, dass Euch manchmal auch das Reichsein gefällt!“3

Richtig reich wurde Rossini nicht durch seine Tätigkeit als Komponist, sondern durch die Heirat mit der Sängerin Isabella Colbran, die u.a. die Ländereien von Castenaso bei Bologna in die Ehe einbrachte. Auch mit einer sogenannten Baronia in Sizilien musste sich Rossini zeitlebens herumschlagen, da Isabella dem spanischen Duca d’Alba einst ein enormes Darlehen machte, das schliesslich nur noch durch Pfändung der Hypothek, eben dieses Gutes bei Modica im Südzipfel der Insel, gelöscht werden konnte. Isabella brachte in den Ehevertrag aber auch eine grosse Mitgift an Bargeld ein, und Rossini musste dieses nun sinnvoll anlegen. Im Oktober 1822 kaufte er vier Grundstücke, darunter eines mit dem Namen Riccardina in der Gemeinde Budrio, welches bis vor kurzem noch der Fondazione Rossini in Pesaro gehörte. Später folgte ein Tal in Durazzo. Der Verwaltung dieser weitgehend landwirtschaftlich genutzten Güter widmete Rossini grosse Aufmerksamkeit. Martina Grempler hat im kürzlich erschienenen Verdi-Handbuch geschrieben: „In Nord- und Mittelitalien war die sogenannte Mezzadria (Halbpacht) die übliche Form des Vertrags zwischen Grundbesitzer und dem Bauern, der das Land pachtete und dafür dem Gutsbesitzer die Hälfte der Ernte entrichtete“4. Rossini hatte also ein Interesse daran, dass die Ernte gut ausfiel, und er kümmerte sich selbst darum, seinen Anteil möglichst vorteilhaft zu verwerten. „Die Neuigkeiten über die Ernte finde ich insgesamt besser als ich zu hoffen gewagt habe, hoffentlich wird der Preis den Mangel wettmachen“, schrieb er am 15 August 1853. Natürlich war ihm auch das Wetter nicht egal. Am 4. Oktober 1833 schrieb er seinem Vater aus Paris: „Ich höre zu meinem grossen Bedauern, dass der Regen die Provinz von Bologna so sehr geschädigt hat. Es steht fest, dass seit einigen Jahren merkliche atmosphärische Veränderungen stattfinden, denn auch in Frankreich sind die Jahreszeiten nicht mehr zu erkennen...“. Klimaveränderungen bereiteten also nicht erst zu unseren Zeiten Sorge. Dem Marchese Mazzacorati dankte er für die Ameliorationen, die er für den Reisanbau in seinem Tal in Durazzo vorgenommen hat (4. Oktober 1863). In den Briefen an seine Verwalter geht es laufend um den Handel von Hanf, Weizen, Mais, Heu und Brennholz.

Komplizierter ist die Frage der Viehhaltung, wie Rossini selber darlegt (1. Dezember 1833): Der Futteranbau für die Viehhaltung sei von den Pächtern zu tragen, da das Vieh ganz ihnen gehört; er wäre bereit, auch hier die Halbpacht anzuwenden und die Futterkosten mitzutragen, vorausgesetzt, dass ein tüchtiger Vorarbeiter für den Handel an den Viehmärkten zuständig wäre. Leider geht aus diesen Briefen nicht hervor, um welches Vieh es sich handelte: Schweine, Schafe, Rinder? Sicher waren es keine Galloways.

Fest steht, dass er sich auch sehr für Pferde interessierte. „Die Pferde sind bestellt, verkauft daher die alten. Sagt mir ob der Kutscher gut ist, denn ich will nicht, dass er mir die schönen und teuren Pferde ruiniert. Wenn er nichts taugt, könnt ihr ihn mit dem Verkauf der alten Pferde gleich entlassen, und der Graf Cicogna würde mir einen guten und ehrlichen Kutscher finden, der die Rosse nach Bologna führen würde und im Haus bleiben könnte“ (26. März 1834). „Ich habe vor einiger Zeit dem Grafen Cicogna den Auftrag gegeben, mir zwei starke und schöne Mecklenburger zu kaufen, er schreibt mir, dass der beste Moment dafür im Mai sei, da in diesem Monat die Lieferungen aus Deutschland eintreffen.“ (12. Mai 1834) Später: „Nun bin ich in Mailand eingetroffen: Morgen werde ich viele Pferde ansehen und die schönsten und teuersten auswählen, um sie Isabella zu schenken“ (11. Juni 1834). Anlass für den Pferdekauf war vielleicht eine Klage Isabellas gewesen: „Ich bin nicht von Castenaso weggekommen, weil eines der Pferde einen starken Husten hatte, aber ein Aderlass hat ihm gut getan und ich lasse jeden Moment einspannen“ (18. Juli 18??). Freilich strapazieren wir hier den Begriff Landwirtschaft, handelt es sich bei diesen Pferdestärken doch nicht um Ackergäule, sondern um Zugmittel für schnittige Cabriolets.

Soviel zu den Erntefrüchten und den Grossvieheinheiten. Wir haben vorher schon gehört, dass sich Rossini aber auch für Petris Heil interessierte. 1841 berichtete der junge Richard Wagner von Paris nach Deutschland, man würde aus Bologna hören, dass Rossini Fischhändler werden wolle5. Fétis hingegen stellte wie schon erwähnt Gerüchte in Abrede, wonach Rossini einen Markt erbauen liess, die Geschäfte den Händlern vermietete und diesen Ratschläge für den Verkauf ihrer Waren erteilte. Die Dokumente geben aber den Gerüchten weitgehend Recht6: Bereits im Mai 1834 hatte Rossini über einen Strohmann die sog. Pescaria gekauft, eine Markthalle in Bologna, wo frischer Fisch feilgeboten wurde; die einzelnen Läden vermietete er den Fischhändlern, und es ist sehr wohl möglich, dass er bei seinem täglichen Spaziergang durch den Markt dem einen oder anderen Pescivendolo Ratschläge erteilte. Jahrzehnte später ist Rossinis Faszination für den Bologneser Markt ungebrochen, denn Ferdinand Hiller zitiert ihn mit den Worten: „Sie müssen wissen, dass es nichts Aehnliches giebt, wie den Markt von Bologna. Von dem Reichthum der Produkte, die da aufgespeichert sind, macht man sich gar keine Vorstellung, und es gehörte zu meinen Lieblings-Beschäftigungen, dort umher zu schlendern.“7

Diese Leidenschaft bestätigt auch der Augenzeuge Karl-Maria Benkert8, der über einen Besuch bei Rossini 1846 in Bologna berichtet und den ich hier passagenweise zitieren möchte:

Kaum hatte [Rossini] den Brief meines Vaters gelesen und einige Male „O mio carissimo Antonio!“ ausgerufen, als er mich förmlich umhalste, dann unter den Arm nahm und dem Wagen zuführte, indem er französisch sagte: „Kommen Sie mit, junger Mann, Sohn meines alten Freundes; es ist eben die erquickliche Stunde, in der ich auf die ‚Piazza verde’ fahre, die Einkäufe für die Küche zu machen. Wir wollen dort frühstücken und plaudern von Wien, wo ich 1822 so selige Tage mit Ihrem Vater verlebte [...]“. All’ dies Einleitungsgespräch kann ich nicht entfernt so rasch niederschreiben, als es mündlich hervorsprudelte, und dabei rollte der Muschelwagen auf dem breiten, schönen Steinpflaster wie auf einer Eisenbahn dahin. Uns zu Füssen stand ein großer leerer Korb, den die Küchenjungen uns in den Wagen geschoben, als er abfuhr; und auf dem ganzen Wege grüßte Rossini beständig mit der Linken und mit der Rechten nach allen Seiten, während er eifrig mit mir sprach. Denn was nur irgend vorüberging, brüllte uns sein „Giorno, Maestro!“ zu. Endlich waren wir auf dem weltberühmten Gemüsemarkt von Bologna, der in der That Alles übertrifft, was man in diesem Genre in Neapel, Paris, London oder Wien sehen kann. Meine Feder erlahmt bei dem bloßen Gedanken[,] dieses an Grün, Blumen und Figuren so überreiche Tableau auch nur annährend und jetzt nach so vielen Jahren zu schildern! [...] Unser Carricolo hielt vor dem Markt, gleich waren zahlreiche Facchini zur Hand, den Maestro zu begrüßen und den Mulo zu halten. Ihnen wurde ganz vertrauungsvoll die schäbig prächtige Equipage zur Obhut überlassen, während Rossini mich unter den Arm faßte, dagegen der schwarze Bursche mit den nackten Beinen den leeren Korb ergriff und uns folgte, als wir uns kühn in das unsägliche Gewühl hineinwagten. All’ die Gemüsehändlerinnen, die Fischweiber, die Hühnerverkäufer u.s.w., sie Alle riefen Rossini Begrüßungen zu und Einladungen, bei ihnen zu kaufen, und für Alle hatte er Kußhändchen und mir unverständliche Witzworte. Und was da umhergekostet, gerochen, geprüft und getastet wurde, mit dem Finger in jeden Rahmlöffel, oder in die Senftönnchen mit Tutti frutti! Auch ein Tropfen süßen Oels wurde wol von der äußern Handfläche abgeschlürft. Manchmal gab’s aber, wie es mir schien, einige grobe Antworten. Und dabei, wie wurde gefeilscht! Bekanntlich ist das eine allgemeine Passion der Italiener, persönlich zu Markt zu gehen, statt Köche oder Mägde zu schicken oder gar, solche Aufgaben der Hausfrau zu überlassen. Es ist dies der Gipfel der Gourmêterie! Und während all’ dieser Geschäftigkeit, die Rossini mit einem Cultus betrieb, dazwischen auch ganz ungenirt und laut Arienanfänge trällernd – denn er hatte ja von jeher eine herrliche Stimme und ein staunenswerth musikalisches Gedächniß – sprach er mit mir immer fort Französisch.9

Auf das reichhaltige Angebot des Bologneser Marktes musste Rossini in Paris, wo er sich 1855 niederliess, verzichten. Für seine Tafel liess er sich die köstlichsten Spezialitäten aus Italien kommen: Oliven aus Ascoli Piceno, Mortadella aus Bologna, Schweinsfüsse und Balsamessig aus Modena, getrocknete Pilze aus Genua, Gorgonzola aus Mailand. Sein Papagei brauchte zudem Sonnenblumenkerne. Aber es galt auch, seinen eigenen Garten zu bestellen: „Wenn Sie eine sichere Gelegenheit haben, schicken Sie mir Broccolisamen für meinen Garten, den ich klassisch bestellen will“ (9. Mai 1860, an Giuseppe Spada in Rom). Alessandro Castellani, ein Freund des Hauses berichtet an seine Mutter: „[Mein Bruder] Gugliemo gefiel Rossini: er nennt ihn seinen Gemüsegärtner, weil er ihm die Broccoli mit viel Geschick angesetzt hat“ (14. August 1860); und Guglielmo selber an seinen Vater: „Wir gehen oft zu Rossini, der uns recht gut mag, und vor ein paar Tagen war ich da, um ihm die Broccoli anzupflanzen, deren Saatgut ihm Spada geschickt hat. Er war sehr glücklich, und als sie ein bisschen gewachsen waren im Saatbeet, haben wir sie umgepflanzt wie es üblich ist; er hat einen schönen Gemüsegarten und einen schönen Garten. Wenn Sie Gelegenheit haben, mir Kürbiskerne zu schicken, die ich Rossini geben könnte, wäre ich sicher, ihm eine grosse Freude zu bereiten“ (14. August 1860). Aber am liebsten hatte Rossini Zucchetti: „Bitten Sie meinen Freund Badiali um Zucchetti-Samen; die alten sind überzüchtet und es ist nötig, die Saat zu erneuern; dies ist das einzige Gemüse, das ich liebe“ (4. Juli 1861); ein anderes Mal schreibt er, dies sei „das einzige Gemüse, das in dieser Gallischen Gegend gedeiht“ (20 Oktober 1865). Natürlich soll aber nicht nur das Gemüse, sondern auch die Rosen gedeihen, was freilich Olympes Aufgabenbereich war, denn sie schreibt: „Lieber Azevedo, Sie wissen, dass Felicien David unseren Rosenstock veredeln soll, schlagen Sie ihm doch vor, am nächsten Samstag auf einen Teller Maccaroni vorbeizukommen [...]“ (Olympe an Azevedo, o.D.).

All das bisher Gesagte liesse vermuten, dass Rossini den landwirtschaftlichen Themen wohl sehr viel Interesse entgegenbrachte, aber wohl kaum selber die Ärmel hochkrempelte. Eduardo Robert, einer der Direktoren des Théâtre Italien, lehrt uns aber eines besseren: „Ich habe einen Teil des Sommers bei Rossini auf dessen Landsitz verbracht, der sich 3 oder 4 Meilen von Bologna entfernt befindet. Er hat dort ein sehr schönes Haus, einen Palazzo, wie man hier sagt. Als ich ankam, pflanzte er gerade seine Kohlköpfe und gab sich mit Wonne dem Gartenbau hin. Es gibt nichts pikanteres als den Schöpfer so vieler Meisterwerke Gartenbau betreiben zu sehen, wie er anbaut, setzt, jätet usw. [...] Wenn man ihn so sieht, hemdsärmelig und sich inmitten seiner Bauern im Bologneser Dialekt unterhaltend, würde man nicht glauben, dass er je eine Note Musik geschrieben habe.“ (18. Feb. 1830).

Rossini hätte also sicher auch einen glaubwürdigen Bauern abgegeben. Bei dieser Wandlungsfähigkeit kommen einem Hillers Worte in den Sinn: „[Er hat] jenes gleichmäßige Wesen, das man nur bei Südländern trifft: für Kinder und Greise, Vornehme und Geringe findet er stets das rechte Wort, ohne sich dabei in Art und Weise seines Benehmens zu verändern. Es ist eben eine jener glücklichen Naturen, denen Alles angeboren, und bei welchen alle Modificationen sich ebenfalls auf organische Weise von selbst gemacht. Nichts Gewaltsames ist in seiner Musik und in seiner Persönlichkeit – das hat Beiden so viele Herzen zugewendet.“10

 

Erlauben Sie mir, mit dieser Charakteristik auf die Galloways und ihre Herkunft zurückzukommen. Schottland ist nicht nur die Gegend der extensiven Weidewirtschaft, sondern auch der edelsten Whisky-Sorten, dem Schottischen Single Malt. Unter den unzähligen Bränden gibt es zwar keinen mit dem Namen Galloway, aber in der Landschaft, von der die Rinder den Namen haben, wird ein feiner Lowlander gebrannt, in der südlichsten aller schottischen Destillerien namens Bladnoch. Kenner beschreiben diesen zum Aperitif und Dessert empfohlenen Whisky als würzig, fruchtig, zitrusartig, den Körper fest, den Abgang voluminös und lang. Vergleichbare Attribute verdient das zarte und saftige Galloway Rindfleisch, das über ein aussergewöhnlich schmackhaftes Aroma verfügt, ein Fleisch, das auf organische Weise herangewachsen ist in diesem kräftigen, gutmütigen und umgänglichen Robustrind, das eine innere Ruhe ausstrahlt und in dem nicht Gewaltsames ist. Und so gibt es vielleicht doch einen Schlüssel zur Frage, weshalb ein Rossini-Fan auch Galloways züchtet. Fest steht auf jeden Fall, dass Herr Dirala mir bei den Vorbereitungen zu dieser Mitgliederversammlung unerschütterlich zur Seite gestanden ist und dass er uns heute und hier mit seiner Einladung zu seinen Galloways eine ganz besondere Freude bereitet hat, weshalb wir ihm hiermit diese Bladnoch-Abfüllung übergeben.


Reto Müller, 28.02.2002

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© Reto Müller, 10. März 2002


1 KURT PFISTER, Das Leben Rossinis. Gesetz und Triumph der Oper, Wien, Gallus Verlag 1948, S. 79.

2 JOSEPH FÉTIS, Lettres sur la musique en Italie, in «Revue et Gazette Musicale», 8. Jg. Nr. 61 (28. November 1841), S. 525-529: 528.

3 Rossini an Giuseppe, 2 November 1834. Die in diesem Aufsatz angeführten unveröffentlichten Briefe werden im Rahmen der Rossini-Briefausgabe publiziert (Gioachino Rossini, Lettere e Documenti, Pesaro, Fondazione Rossini 1992– ); für die Einsicht bedanke ich mich bei den Herausgebern Bruno Cagli und Sergio Ragni.

4 MARTINA GREMPLER, Italien zwischen Restauration, Risorgimento und nationaler Einheit, in Verdi-Handbuch, hrsg. von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert, Stuttgart, Metzler 2001, S. 26-37: 26.

5 H. VALENTINO [RICHARD WAGNER], Rossini’s Stabat Mater, in «Neue Zeitschrift für Musik», 15. Band, N° 52 (18. Dezember 1841), 205-208: 206.

6 Vgl. PAOLO FABBRI – SERGIO MONALDINI, Delle Monete il suon già sento! Documenti notarili relativi a Gioachino Rossini, possidente, in Una piacente estate di San Martino, Studi e ricerche per Marcello Conati, a cura di Marco Capra, Lucca, Libreria Musicale Italiana 2000, S. 77-115: 89-90.

7 FERDINAND HILLER, Plaudereien mit Rossini, in Aus dem Tonleben unserer Zeit, Band II, Leipzig, Mendelssohn 1868, S. 73-74 und Stuttgart, Deutsche Rossini Gesellschaft 1993 (= Schriftenreihe, 1), S. 82.

8 Der Name des Autors wird von Lippmann genannt, welcher sich für die Identifizierung bei Herrn Dr. Christoph Stroux, Freiburg, bedankt: FRIEDRICH LIPPMANN, Rossinis Gedanken über die Musik, in «Die Musikforschung», XXII, 1969, S. 287.

9 Anonimo [KARL-MARIA BENKERT, Pseud. KERTBENY], Rossini. 1846. 1863. Vom Verfasser der „Spiegelbilder der Erinnerung“, in «Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft», Band III, 1869, 484–492: 485-486.

10 HILLER (Anm. 7), S. 7-8.