Symposium der Deutschen Rossini Gesellschaft
in Zusammenarbeit mit ROSSINI in Wildbad

Bad Wildbad, 20.7.1997, 10 Uhr, König-Karls-Bad

Rossini zitiert sich selbst - Oper als Stück-Werk?

Exposé

Rossini-Fans wissen, daß sie manche Arien und Ensembles in mehr als einer Oper des Meisters hören können. Speziell für Eduardo e Cristina (1819) hat Rossini kaum neue Musik geschrieben; die meisten Nummern sind aus früher entstandenen Opern übernommen, nur der Text wurde verändert. Dem an Wagner, Verdi oder Richard Strauss geschulten Geschmack erscheint ein solches Verfahren bedenklich: Wenn das Kunstwerk als ein organisches Ganzes und wenn Text und Musik als unauflösliche Einheit aufgefaßt werden, kann das Spiel mit Versatzstücken bestenfalls Kunstgewerbe sein. Freilich gilt der emphatische Werkbegriff des 19. Jahrhunderts weder für unsere Gegenwart, in der sich Kunst im Fragment oder in der Montage heterogener Elemente verwirklicht, noch für das Ancien Régime.

Die Opernkonzeption, die sich aus Rossinis kompositorischer Praxis erschließen läßt, steht eindeutig in der Tradition des 18. Jahrhunderts: Das Libretto, die Partitur und folglich auch die Verbindung zwischen beiden sind nicht ein für allemal fixiert, sondern existieren nur als dynamisches Work in progress. Ein Operntext wird nicht nur einmal, sondern immer wieder vertont (die erfolgreichsten Libretti Metastasios bis zu 70mal; Rossinis Musique anodine [1857], die sechs Vertonungen desselben Gedichts von Metastasio bietet, ist möglicherweise als ironische Reminiszenz an die [bis ca. 1830 allgemein übliche] Mehrfach-Verwendung von Opernbüchern zu verstehen). Dabei wird der Text meist mehr oder weniger stark verändert; auch wenn eine erfolgreiche Vertonung neu einstudiert wird, paßt man sie den örtlichen Gegebenheiten (oder dem veränderten Publikumsgeschmack) an, ersetzt oder ergänzt einzelne Nummern. Es kommt auch häufig vor, daß Musik aus anderen Opern übernommen und umtextiert wird; das Pasticcio, die ganz aus vorhandenen Musiknummern unterschiedlicher Provenienz zusammengesetzte Oper, treibt dieses Verfahren lediglich auf die Spitze.

Bei dem Symposium geht es darum, Rossinis Praxis der Mehrfachverwendung von Musik historisch zu begründen und ihre dramaturgischen, musikästhetischen und aufführungspraktischen Konsequenzen zu erörtern. Eröffnet werden soll die Veranstaltung mit Statements (jeweils 10-15 Min.) der Experten auf dem Podium, zu folgenden Themen:

Im Anschluß an die Statements soll die Diskussion auf dem Podium beginnen und möglichst bald zum Plenum hin geöffnet werden.

Albert Gier, Wissenschaftlicher Beirat

 
 

Auszug aus dem Mitteilungsblatt der Deutschen Rossini Gesellschaft, Nr. 8 (Mai 1997)

 

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